Tertiärwald

Wir laden Sie ein zu einer Wanderung im Tertiärwald Aubenham. Sie finden dort nicht nur eine Vegetation, die es heute in Mitteleuropa gar nicht mehr geben dürfte. Sie haben von dem Südhang aus auch herrliche Ausblicke in das tertiäre Hügelland des nördlichen Landkreises Mühldorf am Inn. Lassen Sie sich bezaubern von der Schönheit dieser Landschaft. Informationstafeln geben Ihnen Aufschluss über die Unterschiede der tertiären Pflanzenwelt zur heutigen mitteleuropäischen Vegetation.

Die Landschaft der Gemeinde Oberbergkirchen zählt zum welligen Hügelland, das während des Tertiärs entstanden ist. Das geschah in dem unvorstellbar langen Zeitraum zwischen dem Aussterben der Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren und dem Beginn der Eiszeit vor 2 Millionen Jahren. Wie es damals in und um Oberbergkirchen ausgesehen hat, das soll auf dem Gelände der alten Tongrube in Aubenham gezeigt werden. Pflanzen, die vor 9 Millionen Jahren hier lebten, wurden wieder angesiedelt. Im südlichen Bayern befand sich im Tertiär hier ein riesiges Flusssystem, der Molassissippi. Er floss damals von Osten vermutlich aus der Region des bayrischen Waldes nach Westen. Seine Ablagerungen, die die Landschaft um Aubenham bildet, nennt der Geologe Molasse, das heißt weiche Gesteine. Der Strom war mindestens so groß wie der Mississippi, daher der Name Molassissippi.

Exotische Tiere und Pflanzen lebten damals hier. Elefanten, Krokodile aber auch primitive Hirsche und Pferde. Ihre modernen Nachfahren, ein mehrfaches Größer als ihre Ahnen, weiden heute da, wo vor Millionen Jahren Sümpfe und Auwälder waren. Diese versunkene Welt wurde zumindest ansatzweise in der Tertiärwelt wieder geschaffen. Wandern zwischen Pflanzen, die es so in Mitteleuropa gar nicht mehr geben dürfte. Bei der Rekonstruktion der Tertiären Pflanzenwelt wurden Dr. Hans Joachim Gregor und seine Mitstreiter vor allem im subtropischem China und Nordamerika fündig. Noch sind es überwiegend junge Bäume, die in Aubenham die Hänge bevölkern. Bald aber sollen Zelkovie, Hopfenbuche und Amberbaum sowie exotische Verwandte von Pappel, Platane, Eichel und Walnuss einen Eindruck vermitteln, wie es in Aubenham vor 9 Millionen Jahren aussah.

Noch einmal zur Erinnerung, damals war die ganze Landschaft zwischen Jura im Norden und Alpen im Süden ein einziges Stromgebiet, das des Molassissippi. Er floss von Osten nach Westen anders als die Donau heute, die von Westen nach Osten zum schwarzen Meer hin fließt. Flüsse wie Isar, Lech oder Inn gab des damals noch nicht. Der Molassissippi mündet ins Gebiet des heutigen Rohnetals ins Mittelmeer. Die Alpen waren noch weit davon entfernt ein Hochgebirge zu sein. Am Molassissippi selber war die Landschaft teils versumpft und teils von Auwäldern bestanden. In ihrer Konstruktion eines solchen Auwaldes führte die nächste Station der Exkursion. Mit gewissem Stolz kann auf eine Besonderheit hingewiesen werden. In Aubenham konnte erstmals in Bayern nachgewiesen werden, dass hier im Tertiär die Elsbeere, eine Ebereschenart wuchs. Ein Sammler stellte den einzigen Beweis, ein fossiles Blatt, für das Tertiärmuseum in Aubenham zur Verfügung. Außer der Elsbeere kamen in der Altwasseraue von Aubenham auch Hartriegelgewächse vor, die heute nur noch in Japan gedeihen und in Bayern allenfalls Botanikern und Apothekern bekannt sind. Aus ihnen werden Medikamente gewonnen.

Andere klimatische Bedingungen fanden damals Elsbeere, Hartriegel und Co. vor. Subtropisch warm war es in Bayern. Etwa 14 Grad Celsius betrug die Temperatur im Jahresmittel und jährlich fielen mehr als 2000 mm Niederschlag. Zum Vergleich die heutigen Werte: Bayern hat heute eine Jahresmitteltemperatur von 9 bis 10 Grad Celsius und durchschnittlich fallen 1000 mm Niederschlag pro Jahr. Vor 9 Millionen Jahren war es in Bayern nicht nur so warm und feucht wie an der Mündung zum Mississippi auch die Überschwemmungen waren ähnlich verheerend. Davon zeugen die Ablagerungen in der alten Tongrube in Aubenham. Die schmalen blauen und grünlichen Tonschichten waren das Objekt der Begierde für die Ziegelei. Sie sind das Ergebnis gigantischer Überschwemmungen. Der bis zu 75 km breite Molassissippi stieg bei Hochfluten um mehr als 10 m an. Dabei wurde jedes Mal etwa zwei Meter Schlamm abgelagert, der sich dann zu Ton verfestigte. In diesem ehemaligen Schlamm befanden sich auch die Fossilien von Aubenham. Neben den Pflanzen kamen auch der Unterkiefer eines primitiven Hirsches oder Bauten von Eintagsfliegenlarven zutage. Allerdings waren das heute nur noch in Amerika vorkommende Eintagsfliegen. Ein weiterer Hinweis darauf, dass vor 9 Millionen Jahren in Bayern eine Umwelt vorherrschte, die der Umwelt entsprach die wir heute im Mündungsgebiet des Mississippi vorfinden.

Auf weitere „Amerikaner“ die im Tertiär auch in Bayern heimisch waren, stößt man im Tertiärwald. Platanen sind heute beliebte Parkbäume, kommen aber natürlicherweise nur im Kaukasus vor und im subtropischen Amerika. Auch der Amberbaum ist so ein vom modernen Klima nach Amerika vertriebener Bayer. Der Beweis: schon 40 Millionen Jahre alte Bernsteinfunde aus Deutschland, die von Amberbäumen stammen. Vermoderte Baumstämme sind neben den extra angepflanzten Exoten ebenfalls Teil der Rekonstruktion einer urtümlichen Landschaft in Aubenham. Pilze und Tiere zersetzen die Stämme und bilden somit die Grundlage dafür, dass sich neue Bäume ansiedeln können.
Heute müssen wir in andere Kontinente gehen, um die tertiäre Pflanzenwelt Bayerns zu rekonstruieren. Amberbäume und andere Pflanzen, die im Tertiär noch hier heimisch waren starben aus, als das Klima kühler wurde. Sie konnten nicht nach Süden ausweichen, denn da standen die empor wachsenden Alpen im Weg. Anders in Ostasien und Amerika, hier verlaufen die Gebirge von Nord nach Süd oder sind nicht so hoch wie die Alpen. Wärme liebende Pflanzen konnten mit dem Klima in wärmere Gebiete entfliehen.

Christian Hainzinger